Dyskalkulie: Wenn Rechnen und Zahlen Probleme machen

Bei Problemen in Mathe fragen sich Eltern oft, was dahintersteckt. Tun sich die Kinder einfach nur schwer und es sind kleinere Startschwierigkeiten? Oder verbirgt sich hinter der scheinbaren Unlust auf Zahlen, Rechnen und den Mathematikunterricht in der Schule eine sogenannte Rechenschwäche oder Dyskalkulie? Oftmals ist es nicht leicht, den Unterschied herauszufinden.

In diesem Gastbeitrag erklären Tina Goerlich und Gisela Toepfer von der PTE, was hinter Matheschwierigkeiten stecken kann und geben Tipps und Hilfestellungen für die Eltern.

Ursachen für Dyskalkulie

Eine Rechenschwäche entsteht in der Regel durch das ungünstige Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Einer davon ist das Sehen und Begreifen von Mengen. Kann sich das Kind unter der Zahl fünf eine Anzahl vorstellen oder ist es nur Symbol in einer Reihe von Symbolen. Kann man fünf zerteilen oder ist es, als würde man ein A durchschneiden? Was bedeuten Addition und Subtraktion? Hat das Kind die vier Grundrechenarten (+,-,.,:) verstanden? Außerdem braucht es auch Konzentration, um die kleinen Details beim Rechnen zu beachten. Wenn es in diesen Bereichen Schwierigkeiten gibt, dann können sich Misserfolge im Rechnen beim Kind entwickeln.

Wie erkennt man eine Rechenschwäche oder Dyskalkulie?

Die Anzeichen für eine Lernstörung im mathematischen Bereich können vielfältig sein. Hinweise auf eine Rechenschwäche können die folgenden Punkte geben:

  • Das Kind zählt auch bei höheren Zahlen oft mit den Fingern.
  • Mengen können nicht sicher zugeordnet werden.
  • Der Umgang mit Zahlen allgemein fällt schwer.
  • Die räumliche und zeitliche Orientierung macht Probleme.

Sind hier eine oder sogar mehrere Schwächen erkennbar, sollten Eltern nicht allzu lange zögern und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Warum ist das frühzeitige Erkennen so wichtig?

Der Erwerb des mathematischen Verständnisses ist mit dem Aufbau eines Hauses vergleichbar: Ist das Fundament beschädigt oder lückenhaft, kann das gesamte Gebäude nicht stabil sein und die weitere Schullaufbahn im Fach Mathe könnte sehr wackelig werden. Deshalb ist der Aufbau der Basiskompetenzen wie einfaches Plus und Minus oder der Aufbau eines sicheren Zahlenverständnisses (Vergleich von Zahlen, größer oder kleiner) zentral für die Rechenschwäche-Therapie.

Außerdem sind das rechtzeitige Erkennen und Intervenieren wichtig, um einen Teufelskreis zu vermeiden. Dieser droht im Falle einer Lernschwäche nicht nur im betroffenen Fach Mathematik, sondern kann sich auf weitere Fächer, wie Naturwissenschaften oder Physik, oder sogar auf die gesamte Schulsituation ausweiten.
Weiterhin ist eine Lernstörung auch oft mit psychischen Auswirkungen verbunden: Das Kind fühlt sich dumm und nutzlos und erlebt mangelnde Anerkennung. Je nachdem, wie lange sich das Kind bereits in der Lernstörung befindet, wird ein Ausweg daraus immer schwieriger (Teufelskreis Lernstörung).

Wie können Eltern bei Rechenschwäche oder Dyskalkulie helfen?

Kinder rechnen komplett anders als Erwachsene. Hätten Sie gewusst, dass man 7+8 verschieden rechnen kann: 7+3+5 oder 7+7+1 oder 5+5+3+2 oder 5+5+5 oder … und dass für jeden ein anderer Weg der richtige ist? Und dass Kinder komplett anders rechnen als Erwachsene? Das Problem liegt dabei meist darin, dass Erwachsene versuchen, den Kindern „ihren Weg“ beizubringen. Und genau hier liegt der Fehler: Eltern sollen lernen, die Denkweisen ihres Kindes anzunehmen und zu unterstützen, so Dr. Kirstin Erath, wissenschaftlicher Beirat der PTE. Eltern sollen nachfragen. Zum Beispiel: Wie hast du das denn gerechnet? Warum hast du das so gemacht? Wie kommst du auf die ses Ergebnis? Diese Fragen bringen Kinder dazu, ihren Rechenweg nochmal zu überdenken und helfen gleichzeitig den Eltern zu verstehen, was in den Köpfen ihrer Kinder vorgeht.

Wichtig ist auch die Mathematik im Alltag. Alltägliche Situationen sollen genutzt werden, um Mathe zu lernen und – im wahrsten Sinne des Wortes – zu begreifen. Helfen Sie Ihrem Kind, eine gute und solide Vorstellung von Zahlen und Mengen aufzubauen. Auch Rechengeschichten helfen beim Verstehen. Fragen Sie nach, was das Kind zu bestimmten Situationen für Rechengeschichten im Kopf hat. Beim Plusrechnen helfen Verben wie dazutun, kaufen, dazulegen, etc.. Beim Minusrechen werden Sachen weggenommen, zum Beispiel: „Wir haben zehn Eier gekauft, eins fällt runter, wie viele bleiben übrig?“ Oder weitere Aktionen wie verschenken, davonfliegen, wegnehmen, aufessen. Der Fantasie sind dabei nur mathematische Grenzen gesetzt. Probieren Sie es aus!

Mathematik spielerisch entdecken: Rechenübungen im Alltag

Folgende Beispiele von Rechenübungen sind aus dem Alltag von Grundschülern aufgegriffen und decken das Grundrechenspektrum der ersten vier Klassen ab:

  • Vier Kinder spielen zusammen, drei wollen zusätzlich mitmachen. Wie viele Kinder spielen am Ende zusammen?
  • Oder: In einer Packung sind 24 Bonbons; es sind acht Kinder. Wie viele Bonbons erhält jedes Kind?
  • Und noch eine Idee für eine Alltagsrechung: In einem Karton sind acht Milchtüten. Wie viele Milchtüten sind in zwei Kartons?
  • Oder üben Sie das Rechnen mit Dingen, die man in die Hand nehmen und begreifen kann: Deckel, Plättchen oder Bonbons.

Wege aus der Lernschwäche: So funktioniert Lerntherapie

Manchmal reicht die Förderung zu Hause allerdings nicht mehr aus. Eltern und Kinder kommen an ihre Grenzen und externe Hilfe ist gefragt. Hierfür bietet sich die Lerntherapie an. Lerntherapeuten orientieren sich in der Regel nicht am aktuellen Schulstoff, da die Kinder mit einer Lernschwäche oft den Anschluss an diesen bereits verloren haben. Schwerpunkte der Therapie liegen in der Förderung mathematischer Kompetenzen und dem Aufbau der Grundlagen.
Da viele Kinder durch die Lernprobleme das Vertrauen in das eigene Können verloren haben, arbeiten Lerntherapeuten mit den Kindern zusätzlich an der Wiedergewinnung von Motivation und an der Stärkung des Selbstbewusstseins und dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Jede Therapiestunde wird dabei individuell geplant und auf das Kind zugeschnitten. Eine gute Lerntherapie kann deshalb nur von speziell geschulten Fachkräften mit einer umfassenden Weiterbildung im Bereich der integrativen Lerntherapie durchgeführt werden.

Lerntherapie oder Nachhilfe?

Das hängt davon ab, ob Ihr Kind „normale“ Probleme in Mathe hat oder ob tatsächlich eine Rechenschwäche dahintersteckt. Denn: Nachhilfe ist im Fall einer ausgewiesenen Lernstörung nicht hilfreich! Hier hilft nur eine Lerntherapie bei einem qualifizierten Anbieter.

 

Bildquelle: LegaKids Stiftungs-GmbH

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